In der hl. Messe wird die Blutvergießung Christi erneuert.
1. Der
hl. Apostel Paulus spricht davon, wie es im Alten Testamente
Brauch war, mit dem Blute der Schlachtopfer das Volk zu
besprengen und dadurch alles zu reinigen und zu heiligen. Seine
Worte lauten folgendermaßen: "Als Moses alle Gebote des Gesetzes
dem Volke vorgelesen hatte, nahm er das Blut von Stieren und
Böcken mit Wasser und purpurroter Wolle und Ysop und besprengte
das Buch selbst und alles Volk und sprach: Dies ist das Blut des
Bundes, den Gott mit euch geschlossen hat. Auch das Zelt und
alle Gefäße zum Dienste besprengte er gleichfalls mit dem Blute.
Und mit Blut wird ja fast alles gereinigt nach dem Gesetze, und
ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung" (Hehr. 9, 19-22).
Diese Blutvergießung und Besprengung war ein Vorbild der
Ausgießung des göttlichen Blutes Christi, durch welches wir viel
besser von unseren Sünden gereinigt werden als die Juden von den
Ihrigen. Denn also spricht der hl. Paulus daselbst: "Wenn das
Blut der Böcke und Stiere und die Bestreuung mit der Kuhasche
die Verunreinigten heiligt, so dass sie leiblich rein werden,
wie viel mehr wird das Blut Christi, der im Heiligen Geiste sich
selbst als ein unbeflecktes Opfer Gott dargebracht, unser
Gewissen reinigen von toten Werken, damit wir Gott, dem
Lebendigen, dienen?" (Hebr. 9, 13f.)
2. Hier
möchte aber jemand vielleicht sagen: „Christus hat sein Blut bei
seinem Leiden vergossen; wir waren aber damals noch nicht
geboren, deswegen sind wir dieser großen Gnade beraubt worden.“
Betrübe dich nicht darüber, mein lieber Christ, denn das Hl.
Blut Christi ist damals ebensowohl für uns vergossen worden, wie
für die damaligen Gläubigen. Außerdem aber hat Christus noch ein
anderes Mittel erfunden, kraft dessen er noch täglich sein hl.
Blut vergießt und unsere Seelen damit besprengt und reinigt.
Willst du wissen, wann und wo dies geschieht, so sage ich dir:
in jeder hl. Messe und das will ich dir ausführlich beweisen.
3. Als
ersten Zeugen führe ich St. Augustinus an, welcher sagt: "In der
hl. Messe wird das Blut Christi für alle Sünder vergossen."
Diese Worte sind so klar, dass sie keiner Auslegung bedürfen,
und dieser Zeuge ist so zuverlässig, dass ihm niemand
widerspricht. Als zweiter Zeuge diene St. Chrysostomus mit
folgenden Worten: "Das Lamm Gottes wird für dich geschlachtet,
das Blut fließt geistiger Weise vom Altare. Das Blut, welches im
Kelche sich befindet, wird zu deiner Reinigung aus der
unbefleckten Seite geschöpft." Diese Worte sind sehr denkwürdig,
weil damit gesagt wird: wenn der Priester die Worte der Wandlung
über den Kelch ausspricht, so schöpfe er gleichsam das
rosenfarbene Blut aus der Seite Christi, welches aus dieser hl.
Seite in den Kelch fließt und aus dem Kelche geistiger Weise auf
die Seelen der Gegenwärtigen gesprengt wird.
4. Die
Worte der Wandlung lauten also: "Dieses ist der Kelch meines
Blutes usw., welches für euch und für viele wird vergossen
werden zur Vergebung der Sünden." Diese Worte hat Christus
gesprochen und damit den Wein in sein Blut verwandelt. Diese
Worte sprechen auch alle Priester auf Befehl Christi. Sie
sprechen dieselben aber nicht so, als wollten sie am Altare
erzählen, was Christus über den Kelch gesprochen habe, sondern
sie sprechen diese Worte auch bestätigungsweise,
nämlich das sei die Wahrheit oder das solle wahr werden,
wie es ja auch wirklich geschieht, dass der Wein in das
wahrhaftige Blut Christi verwandelt wird.
5. Nun
aber sagt der Priester nicht allein: "Dies ist der Kelch meines
Blutes," sondern er sagt auch: "welches für euch und für viele
wird vergossen werden zur Vergebung der Sünden." Gleichwie nun
die ersten Worte unfehlbar erfüllt werden, gerade so muss es
auch mit den folgenden Worten der Fall sein. Daraus folgt also,
dass das hl. Blut in der hl. Messe wahrhaft vergossen wird. "Für
euch und für viele," d. i. für euch Anwesende und für viele
Abwesende, nämlich für die, welche die hl. Messe lesen lassen,
ferner für diejenigen, welche gerne dabei wären, wenn sie's nur
könnten, aber wegen Krankheit, Gefangenschaft, wichtiger
Geschäfte oder weiter Entfernung gehindert sind, in die Kirche
zu kommen, und darum die hl. Messe zu Hause Gott aufopfern oder
sich wenigstens darin befehlen. Auch für diese vielen wird das
Blut Christi in der hl. Messe vergossen zur Vergebung der
Sünden.
6.
Dieser Beweis übertrifft alle anderen, denn er gründet sich auf
die Wahrheit, welche aus dem Munde Gottes selbst gekommen ist.
Ist das nicht ein hohes Geheimnis, eine unbegreifliche Liebe
Christi gegen uns arme Sünder? Sollen wir es denn glauben
dürfen, dass der göttliche Heiland, welcher sein teures Blut bis
auf den letzten Tropfen vergossen hat, dasselbe aber- und
abermals alle Tage und Stunden vergießen will? 0 wirklich eine
große Gnade, ein großes Heil widerfährt denen, die der hl. Messe
beiwohnen. Denn das Blut Christi wird für sie vergossen, u. zw.
zur Vergebung ihrer Sünden. "Denn sooft das Blut Christi
vergossen wird, wird es zur Vergebung der Sünden vergossen,"
sagt der hl. Ambrosius. Wer wollte denn nicht gerne hineilen zur
hl. Messe, da er versichert ist, dass er dort Verzeihung der
Sünden erlangt? Dass aber das wahre Blut Christi im Kelche sei,
hat Gott auch durch viele Wunder geoffenbart und deutlich
gemacht, von denen ich nur eines hier erzählen will.
7. der
fromme Pater Cäsarius von Heisterbach schreibt, es sei um das
Jahr 1220 im Kölnischen Erzbistum eine Klausnerin gewesen,
welche sich aus der Welt zurückgezogen hatte und in einem
Häuschen, das an eine Kirche angebaut war, ein beschauliches
Leben führte. Diese Klausnerin verrichtete zwar viele Bußwerke,
trug auch eine besondere Andacht zur Heiligen Messe, welcher sie
durch ein kleines Fenster ihres Häuschens beiwohnen konnte; der
böse Feind aber, welcher sie durch keine andere Anfechtung
beunruhigen konnte, quälte sie mit dem Gedanken, ob wohl unter
der Gestalt des Weines das wahre Blut Christi sei. Diese
Versuchung war so stark, dass die schwache Jungfrau ihr nicht
länger Wiederstand zu leisten vermochte, sondern in dieselbe
endlich einwilligte und diesen Zweifel auch jenen Weibspersonen,
die mit ihr durch ein Fensterlein zu verkehren pflegten,
mitteilte. Der liebe Gott aber, der mit Seiner treuen Dienerin
Mitleid hatte, wollte sie durch ein augenscheinliches Wunder aus
diesen Qualen befreien. Dies tat Er auf folgende Weise: Eines
Tages las ein Pfarrer aus der Nachbarschaft die Heilige Messe,
und stieß aus Unachtsamkeit durch besondere Zulassung Gottes den
konsekrierten Kelch um. Hierüber erschrak er sehr, noch viel
mehr aber, als er sah, dass die verschüttete Gestalt des Weines
in rosenfarbenes Blut verwandelt ward. Nach der Heiligen Messe
suchte er durch alle Mittel die blutigen Tropfen aus dem
Corporale auszuwaschen, allein alles war umsonst. Da nahm er am
folgenden Sonntage das Corporale mit sich auf die Kanzel,
erzählte der versammelten Gemeinde aufrichtig, was sich damit
zugetragen hatte, und zeigte ihnen danach das blutige Corporale
mit weinenden Augen. Niemand war, der nicht von Herzen erschrak
und durch die Anschauung des wahren Blutes Christi innerlich
bewegt und erschüttert wurde. Der Pfarrer sah ein, dass dieses
Wunder zur Stärkung der Schwachen im Glauben geschehen sei.
Nachdem er dasselbe überallhin bekannt gemacht hatte, begab er
sich auch zur genannten Klausnerin. Er zeigte ihr das
blutfarbige Corporale und erzählte ihr die ganze Geschichte.
Sobald die Klausnerin das Heilige Blut erblickte, erschrak sie
so heftig, dass sie zu Boden fiel, ihren Irrtum mit heißen
Tränen beweinte und alle Anwesenden um Verzeihung bat. Sodann
sprach sie mit lauter Stimme: „Ich glaube fest, dass in dem
konsekrierten Kelche das wahre natürliche Blut Christi, welches
für uns am Kreuze vergossen, gegenwärtig ist, und in diesem
Glauben begehre ich zu leben und zu sterben.“ Danach wusch der
Priester das ehrwürdige Corporale wiederum über dem Kelche aus,
und sah mit Verwunderung, wie die rosenfarbenen Blutstropfen
plötzlich verschwanden. Hieraus erkannte die Klausnerin, dass
der liebe Gott dieses große Wunder zu ihrem Heile gewirkt habe,
und wurde dadurch noch mehr im wahren Glauben bestärkt.
8.
Etwas Ähnliches widerfuhr dem Pater Petrus von Cavagnelas aus
dem Orden des Hl. Hieronymus, welcher lange und heftig von dem
Zweifel geplagt wurde, ob auch das Heilige Blut Christi in der
Heiligen Hostie sei. Als er nun eines Tages die Heilige Messe
las und zu den Worten nach der Wandlung gekommen war: „Demütig
flehen wir zu Dir, allmächtiger Gott, lass dieses Opfer im
Angesichte Deiner göttlichen Majestät durch die Hände Deines
Heiligen Engels zu Deinem erhabenen Altare hinbringen etc.“ und
sich bei diesen Worten nach der Vorschrift des Messbuches tief
beugte, siehe, da fiel eine so dichte Wolke auf den Altar, dass
er weder den Kelch noch die Heilige Hostie sehen konnte.
Hierrüber ward er mit großem Schrecken erfüllt; denn er wusste
nicht, was das bedeuten sollte. Darum erweckte er herzliche Reue
über seine Sünden und betete inbrünstig zu Gott. Nach langen
Bitten und Weinen ward er endlich erhört und sah, wie die
Heilige Hostie über der Öffnung des Kelches schwebte. Während er
nun die schwebende Hostie mit andächtigen Augen anschaute, nahm
er wahr, wie aus derselben tropfenweise so viel Blut floss, als
er vorher Wein in den Kelch gegossen hatte. Darüber ward er
hocherfreut, verlor alle seine Zweifel und glaubte fortan fest,
dass auch in der Heiligen Hostie das wahre Blut Jesu Christi
gegenwärtig ist.
9.
Diese beiden Geschichten zeigen uns, dass der Leib und das Blut
Christi unter den beiden Gestalten des Brotes und des Weines
zugleich gegenwärtig sind, obgleich kraft der Wandlungsworte der
Leib Christi vornehmlich unter der Gestalt der Heiligen Hostie,
und Sein Blut vornehmlich unter der Gestalt des Weines im
Heiligen Kelche ist. Hier mögest du noch etwas tiefer bedenken,
was für eine Gnade uns widerfährt, da wir das hochheiligste Blut
Christi wahrhaft in der hl. Messe bei uns haben. Es gibt kein
größeres oder kostbareres Heiligtum in der ganzen katholischen
Kirche, da ein einziges Tröpflein vom Blute Christi infolge
seiner Vereinigung mit der göttlichen Natur mehr aufwiegt und
wert ist als alle Schätze der ganzen Welt, ja auch des ganzen
reichen Himmels. Dies allerteuerste Blut haben wir in der hl.
Messe nicht allein gegenwärtig, sondern haben es auch zu eigen,
und es gehört uns so, wie einem ein geschenktes Gut nur immer
gehören kann. Denn weil Christus in der hl. Messe unser eigen
ist, wie im fünften Kapitel gesagt worden, so ist auch sein hl.
Blut unser eigen, und wir können es wie unser Eigentum Gott
aufopfern.
Wie das hl. Blut in der
hl. Messe ausgesprengt wird.
10.
Bisher haben wir vernommen, wie das hl. Blut in allen hl. Messen
vergossen wird, von der Besprengung aber haben wir bisher noch
nichts weiter gesagt. Wisse also, dass, gleichwie das
Allerheiligste Blut in der hl. Messe wahrhaft vergossen wird, es
geradeso über alle Anwesenden geistiger Weise auch ausgesprengt
und über ihre Seelen ausgegossen wird. Dafür haben wir ein
klares Vorbild im Alten Testamente, wovon Paulus (Hebr. 9, siehe
oben) spricht, indem er erzählt, dass Moses das vergossene Blut
der Opfertiere über alles Volk ausgegossen und dabei gesagt hat:
"Dies ist das Blut des Bundes, den Gott mit euch geschlossen
hat." Fast ebendieselben Worte hat Christus beim letzten
Abendmahl über den Kelch gesprochen: "Dies ist der Kelch, der
neue Bund in meinem Blute" (Luk. 22,20). Der hl. Paulus setzt
noch hinzu: "So mussten die Vorbilder der himmlischen Dinge
durch dergleichen gereinigt werden; allein das Himmlische selbst
erfordert vorzüglichere Opfer als jene" (Hebr. 9, 23). Damit
wollte er sagen: Die jüdische Synagoge, welche ein Vorbild der
katholischeren Kirche war, wurde durch Besprengung mit dem Blute
von Böcken und Kälbern gereinigt, die katholische Kirche aber
wird mit dem Blute des Gotteslammes gereinigt. Nun kann aber
nichts mit Blut oder Wasser gereinigt werden, es werde denn
damit benetzt oder besprengt. Weil denn also unsere Seelen in
der Messe durch das Blut Christi gereinigt werden, so müssen sie
damit auch besprengt werden. Dafür führe ich folgende Beweise
an.
11. St.
Chrysostomus sagt: "Wenn du bei der hl. Messe siehst, wie der
Herr als Schlachtopfer daliegt, wie der Priester vor dem Opfer
steht und betet, wie das dabeistehende Volk mit dem
rosenfarbenen Blute besprengt wird, glaubst du dann noch unter
Menschen zu weilen und dich auf Erden zu befinden?" Hier sagt
also dieser vortreffliche Kirchenlehrer, dass das Blut Christi
in der Heiligen Messe nicht nur für uns vergossen, sondern auch
über uns ausgegossen wird. Mit ihm stimmt auch Marchantius
überein, welcher sagt: „Das Kostbare Blut wird in der Heiligen
Messe als ein Heiliges Opfer vergossen, und die umstehenden
Gläubigen werden mit demselben Blute geistiger weise besprengt.“
Mit ebenso klaren Worten aber spricht es schon der
Apostel Johannes aus, indem er sagt: "Christus hat uns geliebt
und uns gewaschen von unseren Sünden mit seinem Blute" (Offbg.
1, 5). Siehe, hier sagt St. Johannes, dass Christus uns nicht
allein mit seinem hl. Blute besprenge, sondern sogar uns darin
wasche.
12. Ich
will aber noch ein klares Zeugnis des hl. Paulus heranziehen,
welcher also spricht: "Ihr seid herangetreten zu Jesus, dem
Mittler des Neuen Bundes, und zur Besprengung mit seinem Blute,
welches besser redet als das des Abel" (Hebr. 12, 24). Hier
frage ich nun: Wann treten wir zu Jesus, zu unserem Mittler und
Fürsprecher, wenn nicht bei der hl. Messe, ganz besonders, wenn
wir derselben so vollständig beiwohnen, dass wir in derselben
auch die hl. Kommunion empfangen? Denn in der hl. Messe übt Er
das Amt eines Priesters, ja des allerhöchsten Priesters aus, und
dessen Amt ist es ja, für das Volk
zu bitten. Wenn wir denn also in der hl. Messe zu Ihm als
zu unserm Mittler treten, so treten wir zugleich zu der
"Besprengung des Blutes", welche in der hl. Messe geschieht,
freilich nicht leiblicher, sondern geistiger Weise. Das heißt:
Nicht unsere Körper werden mit dem Blute Christi besprengt,
sondern unsere Seelen. Bei Seinem Leiden vergoss Christus sein
heiliges Blut, und es floss auf die Hände und das Gewand der
Schergen, ja gar auf die Steine und die Erde. In der hl. Messe
vergießt er ebendasselbe Blut, dies fließt aber nicht auf die
Erde noch auf die Körper, sondern auf die Seelen der Anwesenden.
Ja, gleichwie Moses das jüdische Volk mit dem Blute der Opfer
und der Priester das christliche Volk mit Weihwasser besprengt,
auf dieselbe Weise besprengt Christus die Seelen mit seinem
Blute.
13.
Diese geistige Besprengung nützt uns viel mehr als die
leibliche. Das ergibt sich schon daraus, dass die Schergen samt
den umstehenden Juden mit diesem göttlichen Blut an ihren Händen
und Gesichtern besprengt und trotzdem nicht dadurch gereinigt
oder bekehrt, sondern vielmehr verhärtet und verbittert wurden.
Wenn aber der leidende Jesus damit ihre Seelen besprengt hätte,
so würden sie ohne Zweifel dadurch erweicht, belehrt und
gereinigt worden sein. Also würde es auch uns wenig nützen, wenn
bei der hl. Messe unsere Leiber mit dem Blute Christi besprengt
würden, gar viel aber nützt es uns, wenn das an unserer Seele
geschieht, weil dieselbe dadurch gereinigt und geheiligt und
über die Maßen schön geziert wird. Höre, was die Hl. Magdalena
von Pazzi hierüber sagt: „Wenn die Seele dieses Blut empfängt,
so erhält sie eine solche Würde, als ob sie mit einem kostbaren
Kleide angetan würde: ja, sie glänzt und leuchtet so schön,
dass, wenn du den Glanz deiner Seele, die mit diesem Blute
besprengt ist, schauen könntest, du sie gleichsam anbeten
würdest.“ Fürwahr denkwürdige Worte! Glückselig die Seele,
welche mit solcher Schönheit geziert ist! Glückselig das Auge,
das diese wunderbare Schönheit anzuschauen würdig ist! Ach
lieber Leser, gehe doch oft zur Heiligen Messe, damit du in
derselben mit dem Blute Christi besprengt und mit kostbaren
Kleidern angetan wirst, in welchen du ewig vor allen Engeln und
Heiligen glorwürdig erscheinst. Damit du aber in deinem Glauben,
dass das Hochheilige Blut Christi unter der Heiligen Messe über
uns ausgegossen werde, noch mehr bestärkt werdest, so will ich
hierüber ein merkwürdiges Beispiel erzählen.
14.Platina schreibt im Leben des
Papstes Urban IV., dass um das Jahr 1263 in Bolsena,
einer Stadt nicht weit von Rom, ein Priester gewesen sei,
welcher, als er in der hl. Messe die Worte der Wandlung über die
hl. Hostie ausgesprochen hatte, durch Eingebung des Teufels zu
zweifeln anfing, ob denn auch die hl. Hostie der wahre Leib
Christi sei. Er dachte und sprach bei sich: "Ich sehe ja nichts
daran, ich fühle nichts davon. So ist es denn nicht wahr, dass
es Christus sei, sondern es ist nur eine bloße Hostie." Auf
solche Weise zweifelte er nicht allein, sondern leugnete sogar
die Gegenwart Christi und beging eine schwere Sünde des
Irrglaubens. Gleichwohl fuhr er in der Messe fort und hob die
konsekrierte Hostie in die Höhe. Nun siehe und höre Wunder, was
nun geschah: Die erhobene hl. Hostie fing an, von Blut zu
fließen, gleichwie ein zarter Regen von den Wolken
herabträufelt. Der Priester aber ward bei diesem Anblick so
erschreckt, dass er nicht wusste, was er tun oder lassen sollte.
Er blieb eine Welle mit der erhobenen Hostie gleichsam in
Verzückung dastehen und sah, wie das rosenfarbene Blut so mild
aus der hl. Hostie floss. Das anwesende Volk, welches dieses
sah, wurde so bewegt, dass es anfing, laut aufzuschreien: "0
Heiliges Blut! O Göttliches Blut, wer ist Ursache Deiner
Vergießung?“ Andere schrien: "0 rosenfarbenes Blut, fließe auf
unsere Seelen und reinige uns von unsern Sündenmakeln! 0
kostbares Blut, verzeihe uns unsere Sünden und rufe zu Gott um
Barmherzigkeit!" Der eine schlug auf seine Brust, der andere
weinte heiße Tränen. Durch dieses Geschrei des Volkes kam der
Priester wieder zu sich und wollte die hl. Hostie auf das
Korporale niederlegen. Er sah aber, wie dasselbe mit dem hl.
Blute so befeuchtet war, dass er kaum ein trockenes Plätzchen
finden konnte, um seinen Gott darauf niederzulegen. Da gingen
ihm die Augen auf und bereute seinen Unglauben von ganzem
Herzen. Er las zwar die Heilige Messe weiter, aber mit so viel
Tränen, dass er sie des Öfteren vor Weinen unterbrechen musste.
Nach der Kommunion faltete er das blutbefleckte Korporale
zusammen und wollte dieses große Wunderzeichen verheimlichen.
Das Volk aber kam nach der Messe zu ihm, und wollte wissen, ob
es wirklich wahr sei, was es gesehen hatte. Da ward der Priester
genötigt, das hl. Korporale zu zeigen. Und als nun das
andächtige Volk dasselbe voller Blut sah, da ward es im Herzen
so gerührt, dass es auf seine Knie fiel, an seine Brust schlug,
bitterlich weinte und inbrünstig die göttliche Barmherzigkeit
anrief. Das Gerücht von diesem Wunder verbreitete sich weit und
breit, von allen Seiten strömten zahlreiche Andächtige nach
Bolsena und wollten das große Wunder sehen. Als Papst Urban IV.
dies erfahren, hieß er den Priester zu sich kommen und das
Corporale mitbringen. Der Priester kam in großer Angst, fiel vor
dem Papste und den versammelten Kardinälen und Geistlichen
nieder, bekannte seinen gehabten Zweifel, erzählte den Vorgang
bei Vergießung des Heiligen Blutes und zeigte das blutgetränkte
Corporale vor. Der Papst samt allen Kardinälen und Geistlichen
fielen nieder auf ihre Knie und verehrten andächtig das Heilige
Blut. Später ließ der Papst dem Heiligen Blute zu Ehren eine
herrliche Kirche zu Bolsena erbauen, und befahl, dass das
wunderbare Corporale hier aufbewahrt und alljährlich an dem
Tage, an dem das Wunder geschehen, in feierlicher Prozession
umhergetragen werden solle.
15. Was
zu Bolsena vor mehreren hundert Jahren sichtbar geschehen,
geschieht noch täglich in allen Kirchen bei allen hl. Messen
wenn der Priester Gottes bei dem höchsten Dienste Gottes die
hochwürdigste Hostie und den Kelch emporhebt, so fließt das
rosenfarbene göttliche Blut aus beiden gleichwie ein feiner
Regen aus den Wolken herab, nicht auf die Erde, auch nicht auf
die Häupter der Menschen, sondern auf die Herzen, auf die Seelen
und auf die Gemüter der Anwesenden, nicht allein auf die
Frommen, sondern auch auf die Bösen. Die Frommen reinigt,
schmückt und ziert es, es macht sie fruchtbar an guten Werken,
es labt sie in ihren Schwachheiten, es lindert ihre Anfechtungen
und wirkt viel Gutes bei jedem nach dessen besonderen
Fähigkeiten. Die unfrommen Seelen aber sucht es fromm zu machen,
die verstockten Herzen sucht es zu erweichen, die sündigen
Gemüter sucht es zu bekehren, und allen Feinden Gottes bietet es
die Gnade und Freundschaft Gottes an. Wenn aber der Sünder so
sehr verstockt ist, dass er die Gnade Gottes nicht annehmen
will, so ruft das heilige Blut dennoch für ihn zu Gott und hält
die gerechte Strafe Gottes auf.
16.
Siehe, wie viel Gutes dies gnadenreiche Blut sowohl bei den
Unfrommen wie bei den Frommen bewirkt, wie nützlich es sowohl
für die Sünder wie für die Gerechten ist, dass sie fleißig in
die hl. Messe gehen. Denn diese reinigt es von ihren Sünden, wie
der hl. Johannes sagt: "Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes,
reinigt uns von unseren Sünden" (1. Joh. 1, 7). Die Sünder
möchte es auch gern reinigen, weil sie aber nicht gereinigt sein
wollen, so bereitet es sie nach und nach darauf vor. So
beherzige denn, o gottliebende Seele, was für eine große Gnade
dir widerfährt, indem du in einer jeden hl. Messe wahrhaftig mit
dem kostbaren Blute Jesu Christi besprengt, gereinigt und
geziert wirst. 0 könntest du dich selbst sehen in solcher Zierde
und Schönheit, wie herzlich würdest du dich freuen, wie innig
würdest du Gott danken, wie eifrig würdest du zur hl. Messe
eilen und wie andächtig ihr beiwohnen! Wenn du auf dem
Kalvarienberge unter dem Kreuze gestanden hättest und mit einem
Blutströpflein Christi wärest besprengt worden, solltest du das
nicht für eine große Gnade schätzen? Nun aber ist es ganz
gewiss: wenn du der hl. Messe beiwohnst, so stehest du geistiger
Weise wahrhaftig unter oder bei dem Kreuze und wirst geistiger
Weise, an deiner Seele mit dem Blute Christi besprengt. Wenn du
nun bei der Messe ebenso große Andacht hättest, wie du unter dem
hl. Kreuze erweckt haben würdest, so würde dir die Besprengung
des hl. Blutes ebenso nützen, wie die auf dem Kalvarienberge dir
genützt hätte.
Wie das Heilige Blut für uns um Gnade ruft.
17.
Unter allen Gnaden und Wohltaten, welche wir bei der hl. Messe
empfangen, ist eine der hauptsächlichsten, dass das göttliche
Blut Christi, wenn es auf dem Altare vergossen wird, für uns zum
Himmel ruft und Barmherzigkeit von Gott erbittet. 0 wie nützlich
und heilsam ist dieses Rufen für die Sünder! Wie mächtig hält es
die schweren Strafen Gottes von ihnen ab! Alle schweren Sünden,
die wir begehen, schreien ja zu Gott um Rache und fordern seinen
Zorn wider uns heraus, wie wir aus der hl. Schrift klar
erkennen. Denn (Gen. 18, 20) heißt es: "Das Geschrei von Sodom
und Gomorrha hat sich gemehrt und ihre Sünde ist sehr schwer
geworden." Aus diesen Worten entnehmen wir, dass die schweren
Sünden zu Gott um Rache rufen. Imgleichen sagt St. Jakobus
(5,4): "Siehe, der Lohn der Arbeiter, welcher von euch
vorenthalten worden, schreiet, und ihr Geschrei ist zu den Ohren
des Herrn der Heerscharen gekommen." Beim Propheten Isaias nennt
Gott alle Sünden ein Geschrei, denn es heißt dort: "Ich hoffte,
dass sie Recht täten und siehe, da war Unrecht; dass sie
Gerechtigkeit übten, und siehe, da war Geschrei" (Is. 5, 7).
Hieraus merken wir, welch ungeheures Geschrei aller Sünden
unaufhörlich zu Gott emporsteigt und seinen gerechten Zorn gegen
die Welt herausfordert.
18. Wer
ist es nun, der diesen unendlichen Zorn Gottes besänftigt und
die furchtbare Rache abwendet? Nichts im Himmel und auf Erden
ist dazu tauglicher als die Stimme des kostbaren Blutes Jesu
Christi. Denn wenn auch das Geschrei der vielen Sünden so
ungeheuer ist, dass es bis in den hohen Himmel emporschallt, so
ist doch die Stimme des vergossenen Blutes Christi viel
mächtiger, weil sie allmächtig und unendlich ist und nicht
allein die Luft, sondern davon den ganzen Himmel weit und breit
anfüllt und das Herz unseres Gottes durchdringt. Wiewohl das
ungeheure und abscheuliche Geschrei der vielen grausigen Laster
und Ungerechtigkeiten sein Herz gewaltig erzürnt, so ist doch
die Lieblichkeit der Stimme des vergossenen Blutes Christi so
unendlich groß und schön, dass es allen Verdruss und Widerwillen
aus dem Herzen Gottes vertreibt und dasselbe mehr besänftigt,
als es von dem Geschrei der Sünden erzürnt worden ist.
19. Du
möchtest aber fragen: Wie kann denn dieses hl. Blut zum Himmel
schreien? Ich frage hinwieder: Wie konnte das vergossene Blut
Abels zum Himmel schreien? Dennoch sagt Gott zu Kain: "Die
Stimme von deines Bruders Blut schreit zu mir von der Erde"
(Gen. 4,10). So war denn diese Stimme nicht eine leibliche,
sondern geistig, aber so mächtig, dass sie von der Erde bis zum
Himmel hinaufstieg, das Herz des Vaters durchdrang und ihn zur
Rache für diesen Brudermord aufrief. Ebenso ist auch die Stimme
des vergossenen Blutes Christi in der hl. Messe geistig, aber so
mächtig, dass sie den erzürnten Gott zur Barmherzigkeit zwingt.
Dass nun dieses kostbare Blut Christi bei der hl. Messe zu Gott
ruft, will der hl. Paulus sagen in den Worten: "Ihr seid
herangetreten zu Jesus, dem Mittler des neuen Bundes, und zur
Besprengung des Blutes, welches besser ruft als das des Abel"
(Hebr. 12, 24). Sein Blut rief nicht, als es noch seinem
heiligen Leibe angehörte, aber als es bei seinem bitteren Leiden
schmerzlich und unschuldig vergossen wurde, schrie es mit
allmächtiger Stimme um Barmherzigkeit für die Sünder.
20.
Auch wenn dies kostbare Blut in der hl. Messe vergossen wird,
schreit es mit gewaltiger, durchdringender Stimme zu Gott dem
Allmächtigen, auf folgende Weise: "Siehe doch und erwäge, o
gerechter Gott, wie ich, das allerkostbarste Blut deines
eingeborenen Sohnes, so schmählich, so schmerzlich, so reichlich
bin vergossen worden. Siehe und beherzige, wie gewaltig und wie
grausam ich verunehrt, verflucht und mit Füssen getreten bin.
Dies alles habe ich mit höchster Geduld gelitten deswegen, damit
die Sünder durch mich sollten gereinigt und selig gemacht
werden. Du aber, o strenger Gott, willst sie wegen ihrer Sünden
verdammen und in den Abgrund der Hölle stürzen. Wer vergilt mir
denn die Schmach, die ich ertragen? Wer bezahlt mir dann meine
Beleidigungen? Die Sünder in der Hölle werden es gewiss nicht
tun, sondern werden mich mit teuflischem Hass verfluchen. Wenn
sie aber durch mich selig würden, so würden sie mich ewig
preisen und mir allen möglichen Dank erweisen. Höre deswegen, o
barmherziger Gott, mein gerechtes Geschrei, und meinetwegen
verleihe den Sündern die Gnade der Bekehrung und Besserung ihres
Lebens. Den Gerechten Verleihe um meinetwillen Vermehrung der
Gnaden und Standhaftigkeit in allem Guten.“
21.
Wenn nun das heilige Blut Christi in dieser Weise zu Gott ruft,
sollte es dann möglich sein, dass Gott ein solches Rufen
ausschlagen würde? Denn wenn das unschuldig vergossene Blut
Abels mit einer so mächtigen Stimme von der Erde zum Himmel
rief, dass es Gott selbst zur Rache wider den Brudermord
gezwungen hat, wie Gott ja selbst bekennt: "Die Stimme von
deines Bruders Blut schreit zu mir von der Erde, deswegen sollst
du verflucht sein auf der Erde, die ihren Mund aufgetan und
deines Bruders Blut von deiner Hand empfangen hat“ (Gen. 4,10f.)
- wenn also das Blut Abels so viel vermochte, was wird dann
nicht das allerunschuldigst vergossene Blut Christi vermögen,
wenn es täglich bei der hl. Messe wiederum vergossen und Gott
aufgeopfert wird? St. Paulus spricht: "Ihr seid hinzugetreten zu
der Blutvergießung, welche besser schreit als das Blut Abels."
Denn dieses schrie um Rache, das Blut Christi aber schreit um
Barmherzigkeit. Nun aber ist Gott mehr geneigt zur
Barmherzigkeit als zur Rache, wie die Kirche in einem Gebete
sagt: "0 Gott, dem es eigen ist, sich allzeit zu erbarmen und zu
verschonen." Und St. Petrus sagt: "Der Herr hat Geduld (mit den
Sündern) und will nicht, dass jemand verloren gehe, sondern dass
alle sich zur Buße wenden" (2 Petr. 3. 9). So wird ja das Blut
Christi viel leichter Barmherzigkeit erlangen, als das Blut
Abels Rache erzwungen hat.
22.
Dies göttliche Blut hat bei der Beschneidung, am Ölberge, bei
der Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung zu Gott um
Versöhnung der Welt geschrien und hat das erhalten: "Christus
hat die Welt mit Gott versöhnt" (vgl. 2. Kor. 5,18).
Ebendasselbe heilige Blut schreit auch bei der hl. Messe, nicht
nur mit einer Stimme, sondern mit so vielen Stimmen, wie
Blutstropfen vergossen worden sind. Es ruft mit durchdringender,
allmächtiger Stimme, es ruft aus aller seiner menschlichen und
göttlichen Kraft; es ruft nicht allein in einer, sondern in viel
tausend täglichen Messen. Und es ruft nicht allein, sondern mit
ihm rufen auch die Wunden Christi mit so vielen Worten, als
Wunden am Leibe Christi waren. Es ruft mit ihm auch das Herz
Christi mit so vielen Bitten, als Bewegungen in diesem Herzen
waren. Und endlich ruft auch der Mund Christi mit so vielen
Bitten, als Seufzer ihm entflohen sind. Wie sollte es nun
möglich sein, dass dieses fünffache, mächtige Geschrei - aus dem
Blute Christi, aus dem Herzen Christi, aus dem Munde Christi,
aus den Wunden Christi, aus der Seele Christi das Herz des
himmlischen Vaters, und wenn es schon von Stahl und Diamant
wäre, nicht durchdringen sollte! Das kostbare Blut Christi ist
von einer solchen Kraft, dass ihm alles, was im Himmel und auf
Erden ist, weichen muss, und dass ihm selbst die göttliche
Gerechtigkeit keine billige Bitte versagen kann.
23.
Hier muss ich die Geschichte vom wunderbaren Korporale zu
Walldürn erzählen, obwohl es in unserem Vaterlande genug bekannt
ist und in der Fronleichsnamsoktav fleißig von Pilgern besucht
wird. Im Odenwalde, früher Erzbistum Mainz, liegt ein Städtlein,
Walldürn genannt, wo im Jahre 1330 der Pfarrer des Ortes, Otto,
bei der hl. Messe nach der Konsekration den Kelch aus
Unachtsamkeit umgestoßen hat, so dass das hl. Blut auf das
Korporale floss. Aber siehe, alsbald sah er in der Mitte des
Korporales Christus am Kreuze hangend und zu beiden Seiten von
diesem Kruzifix elfmal das dornengekrönte und mit Blut
überronnene Haupt Christi, so natürlich und kunstvoll, dass kein
Maler dergleichen mit Farben hatte darstellen können. Darüber
erschrak der Pfarrer so sehr, dass er erzitterte und große
Strafe von Gott und von seiner Obrigkeit befürchtete. Als die
Messe aus und alles Volk gegangen war, brach er einen Stein aus
dem Altar, steckte das Korporale hinein und verschloss das Loch,
so gut er konnte. Gleichwohl fand er keine Ruhe mehr in seinem
Gewissen und nahm sich die Sache so zu Herzen, dass er darüber
in eine tödliche Krankheit viel. Da er nun den Tod herankommen
fühlte, ließ er einen benachbarten Pfarrer rufen und erzählte
ihm, wohin er das blutige Korporale versteckt habe. Nach dessen
Tode suchte dieser Pfarrer dasselbe und zeigte es dem Volke,
wobei er erzählte, was geschehen war. Zur Bestätigung des
Wunders brachte er das Korporale der geistlichen Obrigkeit und
auf deren Befehl nach Rom zu dem damaligen Papst Urban V., der
das Wunder bestätigte und allen Wallfahrern einen Ablass
verlieh.
24.
Hier entsteht nun die Frage, warum Gott gewollt, dass das
verschüttete Blut in Gestalt eines Kruzifixes und elfmal das
Haupt Christi erscheinen sollte. Unter anderem meine ich, um
anzuzeigen, dass das vergossene Blut Christi um Barmherzigkeit
zu Gott rufe, da dieses durch nichts klarer dargestellt werden
konnte, als, indem so oft das Haupt mit dem Munde erschien.
Vielleicht waren aus dem Kelch elf Tropfen auf das Korporale
gefallen. Da riefen diese zu Gott nicht um Rache und Strafe,
sondern um Gnade und Barmherzigkeit, sowohl für den Pfarrer wie
für das Volk, welches dieses hl. Blut besuchen und verehren
würde, wir erfahren es ja noch zu jetziger Zeit, dass die
größten Sünder, welche ihre Sünden viele Jahre nicht mehr
gebeichtet haben, allda vor dem hl. Blute zu wahrer Reue und
aufrichtiger Beichte gelangen. Man kann zwar jetzt die hl.
Häupter nicht eben klar mehr sehen, aber wenn man nahe bei dem
noch ganz unverwesten Korporale steht, so sieht man an deren
Stellen noch deutliche Flecken.
25.
Neben dem allmächtige Rufen des göttlichen Blutes Christi ist
sodann auch zu beachten, dass dasselbe noch eine andere
Eigenschaft hat, welche den erzürnten Gott versöhnt, nämlich den
allersüßesten Wohlgeruch, welcher aus dem auf dem Altare
vergossenen Blute aufsteigt. Von den jüdischen Brandopfern
sprach Gott: „Das tägliche Brandopfer sollt ihr immer opfern zur
Speise des Feuers und zum übersüßen Geruche dem Herrn, der da
aufsteigt vom Brandopfer und jeglichem Trankopfer.“ (4.Mos.
28,23.24) Wenn nun schon der Geruch, welcher dem verbrannten
Fleisch und dem vergossenen Blute der Tiere entstieg, dem
allmächtigen Gott zum lieblichen Wohlgeruche ward, was wird dann
erst der süßeste Geruch des rosenfarbenen Blutes Christi
vermögen, welches dem glorwürdigsten Gott als ein würdiges
Brandopfer auf dem Altare aufgeopfert wird.
26.
Wenn der Priester den Kelch opfert, so spricht er: "Wir opfern
Dir auf, o Herr, den Kelch des Heiles, und flehen zu Deiner
Güte, dass er vor dem Angesichte Deiner göttlichen Majestät für
unser und der ganzen Welt Heil und Segen mit dem Geruch der
Lieblichkeit emporsteige." Mit diesen Worten opfert er den
Kelch, weil der Wein, der darin ist, in das Blut Christi
verwandelt werden wird. Der hl. Paulus sagt: "Christus hat uns
geliebt und sich für uns alle als Schlachtopfer hingegeben, Gott
zum lieblichen Geruche" (Eph. 5, 2). Als dies kostbare
Schlachtopfer am Kreuze dargebracht und sein Blut so schmerzlich
vergossen wurde, da stieg ein so lieblicher Geruch zum Himmel
hinauf, dass dadurch der schlimme Geruch, der von den
schändlichen Götzenopfern und von den Sünden der Menschen
aufgestiegen war, ganz vertilgt und vertrieben wurde. Denn Gott
hatte größeres Wohlgefallen an dem Gehorsam Christi, als er an
den Sünden der Menschen Missfallen gehabt hatte. Deswegen sollst
auch du bei der hl. Messe das Blut Christi Gott aufopfern, damit
es ihm zum angenehmen Duft emporsteige und alles wegnehme, was
du durch deine Sünden garstig und hässlich gemacht hattest.
27. Als
der erblindete Patriarch Isaak seinen Sohn Jakob, der mit den
Kleidern des Esau angetan war, küssen wollte, da sagte die hl.
Schrift: "Da Isaak den Duft seiner Kleider roch, segnete er ihn
also bald" (Gen. 27, 27) und wünschte ihm alle Wohlfahrt an
allen zeitlichen Gütern. Ebenso bewirkt der angenehme Geruch des
Blutes Christi so viel, dass der liebe Gott einem frommen
Menschen, der ihm dasselbe bei der hl. Messe aufopfert, ganz
gewogen wird und ihm seinen göttlichen Segen samt besonderer
Vermehrung seiner Gnade und himmlischer Güter mitteilt. Auch
alle Heiligen erfreuen sich daran, weil der Duft dieses heiligen
Opfers gleichsam den ganzen Himmel durchweht und alle seine
Bewohner herzlich erquickt und erfreut. Unterlasse es also nie,
bei der hl. Messe das kostbarste Blut andächtig anzubeten,
herzlich anzurufen und nachdrücklich aufzuopfern.
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