Die Erklärung des Heiligen Messopfers
von Pater Martin von Cochem
Katechese
3. Kapitel
Von den Geheimnissen der Heiligen Messe
1. Da ich nunmehr von den
Geheimnissen der hl. Messe reden will, dringt es mich, mit David
auszurufen: "Kommet und sehet die Werke des Herrn,
welche Wunder er gewirkt hat
auf Erden." (Ps.
45.9) Christus hat zwar viele Wunderzeichen hier auf Erden gewirkt,
aber mich dünkt, es sei doch keines höher und grösser gewesen, als
da er beim letzten Abendmahle das allerhochwürdigste und
allerheiligste Messopfer einsetzte. Dasselbe Ist ein kurzer
Inbegriff aller Wunderwerke Gottes und ein Wunder über alle Wunder,
so dass St. Bonaventura hat dürfen sagen und schreiben: "Die Messe
ist in ihrer Weise so voller Geheimisse wie das Meer voller Tropfen,
die Luft voller Stäublein, das Firmament voller Sterne und der
Himmel voller Engel. Denn in ihr gehen täglich so viele Geheimnisse
vor sich, dass ich nicht weiß, ob die allmächtige Hand Gottes jemals
etwas Größeres gewirkt hat.
2. Mit diesen erstaunlichen Worten
des hl. Bonaventura, welche die Geheimnisse der hl. Messe als ganz
unzählbar hinstellen, stimmt Pater Sanchez überein, indem er
ausführt: "In der hl. Messe empfangen wir so wunderbare und
wahrhafte Schätze, so kostbare himmlische Gaben, so viele Güter für
das gegenwärtige und so gewisse Hoffnung für das zukünftige Leben,
dass wir, um dieses zu begreifen, die Gabe des
übernatürlichen Glaubens haben müssen." Damit will er sagen: Wenn
uns nicht Gott selbst durch seine übernatürliche Offenbarung über
die Schätze der hl. Messe unterrichtet hätte, so würden wir mit
unserem einfachen Verstande nichts davon erfassen können. Dann fährt
er fort: "Gleich wie du aus dem Meere oder einem Flusse stets genug
Wasser schöpfen kannst, also kannst du es auch mit der hl. Messe
machen. Denn die Unermesslichkeit derselben ist so groß, dass sie
nie erschöpft, nicht einmal vermindert werden kann." Aus diesem
schönen Vergleich kannst du abnehmen, wie voller Gnaden und
Geheimnisse die hl. Messe ist, und wie viele geistliche und
leibliche Güter man täglich daraus schöpfen kann.
3. Das hat der hl. Augustinerpater
Johannes von Fakundo wohl gewusst, der keinen Tag die hl. Messe
unterließ und sie immer des Morgens in aller Frühe las, weil seine
Begierde nach dem Opfer Christi so groß war, dass er nicht langer
warten konnte. Er las aber die Messe so langsam, dass die Messdiener
manchmal vom Altare fortliefen und keiner bei ihm dienen wollte. Als
ihm danach der Prior befahl, nicht mehr Zeit zu gebrauchen als die
übrigen Priester, gehorchte der heilige Mann freilich; nach einigen
Tagen aber fiel er dem Prior zu Füssen und bat, den Befehl
zurückzunehmen. Der Prior wollte erst den Grund wissen, weshalb
Johannes so viel Zeit haben wollte, aber erst auf langes Drängen
teilte dieser ihm denselben mit, und nun sprach der Prior zu einem
vertrauten Pater: "Glaube mir für gewiss, dass unser Pater Johannes
deswegen so lange Messe liest, weil Gott ihm die großen Geheimnisse,
welche in derselben vorgehen, zu erkennen gibt, die so hoch sind,
dass kein Mensch sie mit seinem Verstande begreifen kann. Von diesen
Geheimnissen hat er mir so große Dinge gesagt, dass ich vor
Schrecken fast außer mir war. Glaube mir sicherlich, dass Christus
sich diesem Pater leiblicherweise zeigt, mit ihm freundlich redet,
ihm seine fünf Wunden weist und aus denselben solchen Glanz über den
heiligen Mann ausgießt und ihn so erquickt, dass er ohne Speis und
Trank würde leben können. Pater Johannes sieht auch den Leib Christi
wie eine glänzende Sonne und erkennt dessen unendliche Glorie und
Schönheit. Ja, er erkennt auch so hohe und himmlische Dinge, dass
kein Mensch sie recht ergründen oder aussprechen kann. Darum will
ich von nun an auch selbst nie unterlassen, die hl. Messe zu lesen
oder zu hören und andere dazu anzutreiben." Aus diesen Worten können
wir klar erkennen, wie voll wunderbarer Geheimnisse die hl. Messe
sein muss. Ein Teil derselben wird schon dadurch begriffen, dass wir
die Vorbilder aus dem Alten Testamente betrachten, die in ihr erfüllt,
ja gleichsam erneuert werden.
4. Das erste Vorbild war das Opfer
des frommen und gerechten Abel,
welcher aus wahrer Andacht zu Gott von den Erstlingen seiner Herde
Gott zum Bekenntnis seiner unendlichen Majestät ein Brandopfer
dargebracht hat. Dass dieses Opfer dem lieben Gott gefallen habe,
bezeugt die hl. Schrift (Gen. 4, 4) mit den Worten: "Der Herr
schaute auf Abel und seine Gaben“, wofür Theodotion übersetzt: "Der
Herr zündete das Opfer Abels an," indem er etwa Feuer vom Himmel
kommen ließ wie später bei der Einweihung des Tempels. In ähnlicher
Weise geschieht es auch bei unserem Messopfer; wenn nämlich der
Priester die Worte der hl. Wandlung über Brot und Wein ausspricht,
so fällt das göttliche Feuer des Heil. Geistes vom Himmel herab,
entzündet gleichsam das Opfer des Brotes und Weines und verwandelt
sie in den wahren Leib und das wahre Blut Christi. Das Opfer Abels
hat dem allmächtigen Gott sehr wohl gefallen, das Opfer der
Christenheit aber gefällt ihm unvergleichlich mehr. Denn wenn ein
Priester die hl. Hostie in die Höhe hebt, so spricht der Vater
dieselben Worte wie bei der Taufe Christi: "Dieser ist mein
geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe." (Matth. 3, 17.)
5. Das
zweite Vorbild war das
Opfer des gerechten Noe, von welchem Gen. 8, 20f. geschrieben steht:
"Noe aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allen reinen
Tieren und Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altare. Und der
Herr roch den lieblichen Geruch und sprach: "Niemals wieder will ich
die Erde verfluchen um der Menschen willen." Wenn nun also der
erzürnte Gott solches Gefallen an dem Opfer des Noe gehabt hat, dass
er versprach, die Welt hinfür niemals mit einer Sintflut wieder zu
strafen, wieviel mehr wird ihm dann das Opfer gefallen, in welchem
der allersüßeste Geruch der Tugenden und Heiligkeiten Christi zum
Himmel emporsteigt?
6. Das
dritte Vorbild des hl.
Messopfers waren die verschiedenen Opfer des Patriarchen
Abraham, von dem mehrere
Mal in der hl. Schrift steht: "Abraham erbaute dem Herrn einen Altar
und rief allda dessen Namen an. Ebendasselbe liest man auch von
Isaak und Jakob, welche Diener des wahren Gottes waren und nach dem
Beispiele aller Gerechten dem Herrn aller Herren Brand- und
Schlachtopfer darbrachten. Alle Priester des Neuen Testamentes sind
diesen großen Dienern Gottes getreulich nachgekommen und setzen das
bis auf den heutigen Tag mit heiligem Eifer fort, indem alle, die
nur ein wenig wahre Andacht zu Gott haben, ihm auch täglich das
allerhochwürdigste Opfer aufopfern.
7. Das
vierte Vorbild unseres
heiligsten Messopfers war das Opfer des Königs und Hohenpriesters
Melchisedech, der dem
allmächtigen Gott zur Danksagung für den Sieg Abrahams in neuer Art
Brot und Wein unter bestimmten Zeremonien und Gebeten aufopferte.
Aber davon ist schon im ersten Kapitel genug gesagt worden.
8. So kommen wir denn zum
fünften Vorbilde, das Opfer Aarons und aller Priester des mosaischen
Gesetzes, welches von Gott selbstgegeben war. Denn vor dieser Zeit
hatten die frommen Väter aus freiem Willen nach Eingebung des
natürlichen Verstandeslichtes, wann und wo sie wollten, Opfer Gott
dargebracht. Im Gesetz aber hat Gott befohlen, dass die Juden ihm
vornehmlich dreierlei Opfer darbringen sollten, nämlich Brandopfer,
Friedopfer und Sühnopfer. Täglich sollten sie ihm zwei Lämmlin
schlachten und aufopfern, nämlich morgens eins und abends eins. Alle
diese jüdischen Opfer haben gewährt bis auf Christus und waren klare
Vorbedeutungen zunächst des Kreuzesopfers. Nach dem Tode Christi
aber haben dieselben aufgehört; an ihre Stelle trat das Messopfer
als tägliche Erneuerung des Kreuzesopfers.
9. Aller dieser Opfer von den ersten
Zeiten her, geschieht ausdrückliche Erwähnung in jeder heiligen
Messe, da der Priester bald nach der hl. Wandlung also zum Herrn des
Himmels und der Erde spricht: "Wir opfern Dir, O Herr, das heilige
Brot des ewigen Lebens und den Kelch des immerwährenden Heiles. Sieh
darauf herab mit dem Blicke deiner Huld und Gnade und lass es dir
wohlgefällig sein, wie du dich gewürdigt hast, mit Wohlgefallen
anzunehmen die Gaben deines gerechten Dieners Abel, das Opfer
unseres Patriarchen Abraham, wie auch das heilige Opfer, die
unbefleckte Opfergabe, welche dir dein Hoherpriester Melchisedech
dargebracht hat.“ Dadurch zeigt die Kirche selbst, dass jene Opfer
Vorbilder des hl. Messopfers waren, wenn dieselben auch nicht im
Mindesten an den Wert der hier geopferten Gabe heranreichen können.
10. An diesem Gebete aber stoßen
sich viele fromme Katholiken und Nichtkatholiken und ärgern sich
daran, weil sie meinen, der Priester rufe Gott an, dass er sein
Opfer auf dieselbe Weise gnädig aufnehme, wie er das Opfer Abels,
Abrahams und Melchisedechs gnädig aufgenommen hat, da doch
unbezweifelt wahr ist, dass das Messopfer, in welchem der heiligste
Leib und das heiligste Blut Christi Gott dem Herrn geopfert wird,
Ihm unendlich angenehmer ist, als die Tiere und das Brot und der
Wein, welche Abel, Abraham und Melchisedech Ihm geopfert haben. Hier
ist aber wohl zu bedenken, dass die Priester nicht bitten, der liebe
Gott wolle dasjenige, was sie Ihm opfern, in Gnaden annehmen, da das, was sie Ihm
darbringen, Jesus Christus, sein vielgeliebter Sohn, Ihm unendlich
wohlgefälliger ist, als alle Geschöpfe; sondern die Priester bitten
nur, Gott wolle ihr Opfer, die Art und Weise zu opfern, oder die
Andacht, mit welcher die das hochheilige Messopfer verrichten,
ebenso in Gnaden aufnehmen, wie Er die Andacht, mit welcher Abel,
Abraham und Melchisedech ihre Opfer dargebracht haben, in Gnaden
aufgenommen hat. Er handelt sich also hierbei nicht um die
Würdigkeit des Opfers, die unzweifelhaft ist, sondern um die Annahme
der Andacht des opfernden Priesters und der mit ihnen vereinten
Gemeinde. Möchten nur wir alle beim hl. Messopfer dieselbe Andacht
haben, mit welcher jene ihr Opfer verrichteten, damit Gott auch aus
unserer Hand die heiligste Opfergabe in Gnaden aufnehmen könne.
11. Was nun die Geheimnisse des
heiligsten Messopfers angeht, so ist vor allem festzuhalten, dass in
demselben die vorzüglichsten Geheimnisse des ganzen Lebens und
Leidens Jesu Christi enthalten sind und uns vorgestellt werden. Das
deutet bereits David in prophetischem Geiste an, wenn er spricht:
'Ein Gedächtnis stiftete Er in seinen Wundern, der gnädige und
barmherzige Herr." (Ps. 110, 4.) Und damit wir erkennen möchten,
dass hiermit auf die hl. Messe hingewiesen sei, sagt er in einem
anderen Psalm (Ps. 25, 6,7): "Ich um deinen Altar her sein, o Herr,
damit ich höre die Stimme des Lobes und erzähle alle deine Wunder."
Hat denn nicht Christus ähnliches gesagt, als er das hochheilige
Messopfer einsetzte und zu seinen Aposteln sprach: " Dies tuet zu
meinem Andenken?" Als wollte er sagen: Da ich nun von euch scheiden
muss und nach Vollendung der Erlösung der menschlichen Geschlechts
zu meinem himmlischen Vater gehen werde, darum setze ich die hl.
Messe als das einzige Opfer des Neuen Bundes ein, in welchem alle
Geheimnisse meines ganzen Leben und Leidens eingeschossen sind und
allen meinen Gläubigen vor Augen gestellt werden, auf dass ihr
meiner niemals vergesset, sondern Mich allezeit in eurem Andenken
behaltet.
12. Dass dieses sich wirklich so
verhält, will ich kurz beweisen und erklären. Erstens wird das
hochwürdigste Geheimnis der gnadenreichen Menschwerdung Jesu Christi
nicht allein vorgestellt, sondern wahrhaft erneuert. Denn gleichwie
die allerseligste Jungfrau Maria zur Vollbringung der Menschwerdung
des Sohnes Gottes ihren
Leib und ihre Seele darbot und aufopferte, und in Ihr durch Wirkung
des Heiligen Geistes das Wort Fleisch geworden ist: ebenso bietet
der Priester den himmlischen Vater Brot und Wein dar, opfert es Ihm
auf, und der Heilige Geist verwandelt sie Kraft der Wandlungsworte
in den wahren Leib und das wahre Blut Christi. Auf diese Weise wird
das allergöttlichste Geheimnis der Menschwerdung Christi erneuert,
und der Priester hat ebensowohl Christus in seinen Händen, wie ihn
die Muttergottes Ihn in ihrem jungfräulichen Leibe getragen hat. Ist
das nicht ein Wunder über alle Wunder?
13. Das gnadenreiche Geheimnis der
Geburt Christi wird ebenso erneuert und uns klar vor Augen gestellt.
Denn gleichwie Christus aus der allerseligsten Jungfrau die
Menschheit annahm, so nimmt Er in der hl. Messe auf die Worte des
Priesters hin die Menschheit an, und wenn der Priester das letzte
Wort der Wandlung ausgesprochen hat, so hat er den menschgewordenen
Heiland wahrhaft in seinen priesterlichen Händen. Zur Bezeugung
dessen fällt er sogleich auf seine Knie, betet seinen Gott und
Schöpfer in seinen Händen demütig an, hebt ihn mit Andacht in die
Höhe und zeigt ihn mit Freuden dem anwesenden Volke. Gleichwie die
liebe Mutter Gottes ihr neugeborenes Kindlein, in Windeln gewickelt,
den frommen Hirten gezeigt und zur Anbetung dargeboten hat, zeigt
auch der Priester dem Volke dasselbe Christkindlein unter den
Gestalten des Brotes, wie in Windeln eingehüllt, auf dass alle Es
erkennen und als ihren Herrn und Gott anbeten. Wer dieses von Herzen
tut, der übt eine größere Tugend als die frommen Hirten, denn diese
sahen die Menschheit Christi mit Augen und glaubten an seine
Gottheit, wir aber sehen nur die äußeren Gestalten von Brot und Wein
und glauben dennoch fest, dass die Gottheit und Menschheit Christi
darunter verborgen ist.
14. In der hl. Messe haben wir auch
denjenigen gegenwärtig, welchen die hl. drei Könige angebetet, der
greise Simeon auf seine Arme genommen und den Maria Gott dem Vater
im Tempel aufgeopfert hat. Diesen Dreien können wir in der Heiligen
Messe nachfolgen, und so durch unsere Andacht Christus wohlgefällig
werden und uns ewigen Lohn verdienen. Wir hören auch Christum sein
hl. Evangelium durch den Mund des Priesters verkündigen und können
daraus Heil und Nutzen schöpfen. Wir sehen ferner Christus bei der
hl. Messe Wunder wirken, denn da er den Wein in sein hl. Blut
verwandelt, so ist das ein viel größeres Wunder, als da er zu Kana
das Wasser in Wein verwandelte. Wir sehen ihn auch
sein letztes Abendmahl
wiederum halten und von neuem Brot und Wein in sein wahres Fleisch
und Blut verwandeln. Endlich sehen wir bei der Aufhebung auch
Christum am Kreuze erhöht und hören ihn mit den Ohren unseres
Geistes für uns beten: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht,
was sie tun" (Luk. 23,34) und wie schwer sie mit ihren Sünden deine
Gottheit beleidigen. Dieses alles sehen wir zwar nicht mit den
leiblichen Augen, aber mit den Augen des übernatürlichen Glaubens
,und durch diesen unseren festen Glauben verdienen wir umso größeren
Lohn, wie Christus ausdrücklich bezeugt, da er zu Thomas spricht:
"Selig sind, die nicht sehen und doch glauben." (Joh. 20, 29.) Je
höher und unbegreiflicher diese Geheimnisse sind, um so
verdienstlicher ist auch unser Glaube und umso reicher wird unser
Lohn sein im Himmel.
15. In der hl. Messe erfüllt
Christus auch sein treues und tröstliches Versprechen, das er vor
seinem Scheiden gegeben hat mit den Worten: "Siehe, ich bleibe bei
euch alle Tage, bis an das Ende der Welt." (Matth. 28, 20.) Kraft
seiner Gottheit ist ja Christus freilich immer und überall
gegenwärtig, und darum ist dies Versprechen ebenso von seiner
heiligen Menschheit zu verstehen, mit welcher er in der hl. Messe
und in dem hochwürdigsten Sakrament des Altares zugegen ist. Da
weilt er Tag und Nacht persönlich bei uns, ist allezeit bereit, uns
Audienz zu geben, unser Begehren anzuhören und uns in unseren Nöten
zu helfen. In der hl. Messe aber ist er noch überdies unser Opfer,
unser Fürsprecher und die Versöhnung für unsere Sünden. Denn, weil
Christus in der hl. Messe sein priesterliches Amt ausübt, deswegen
steht ihm von Amtswegen zu, wie Paulus (Hebr. 5) sagt, „dass er
darbringe Gaben und Opfer für die Sünden des Volkes“, dass er sich
nämlich selbst seinem Vater für das Volk aufopfert, wie er sich ihm
am Kreuze aufgeopfert hat. Daraus erhellt, dass zwischen der hl.
Hostie im Tabernakel oder der Monstranz und in der hl. Messe doch
noch ein großer Unterschied ist, obwohl die Gegenwart Christi
dieselbe ist. Denn in der hl. Messe liegt die hl. Hostie zugleich
als Opfergabe vor den Augen des Vaters.
16. Welches sind nun wohl die
wichtigsten Ursachen, warum der liebe Heiland Tag und Nacht bei uns
sein will, bis ans Ende der Welt?
a)
Weil Er das Haupt seiner
Kirche ist, und die Glieder dieser Kirche sein geistlicher Leib
sind, deswegen gebührt es sich, dass, weil der Leib nicht beim
Haupte im Himmel sein kann, das Haupt beim Leibe auf der Erde sei.
b)
Weil Christus der
Bräutigam und die Kirche die Braut ist, mit welcher Er sich weit
inniger verbunden hat, als hienieden Bräutigam und Braut sich
verbinden können, so treibt Ihn seine Liebe an, unaufhörlich im bei
seiner geliebten Braut zu sein. Sehr schön beschreibt im Briefe an
die Epheser der hl. Paulus die Liebe Christi zu seiner Braut:
„Männer, liebet eure Weiber, wie auch Christus die Kirche geliebt
und sich selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen und
reinigen in der Wassertaufe durch das Wort des Lebens, um selbst
herrlich die Kirche sich darzustellen, ohne Makel, ohne Runzel oder
etwas dergleichen, sondern dass sie heilig und unbefleckt sei."
Durch die hl. Taufe werden die Menschen Glieder der Kirche und so
schön geschmückt wie die lieben Engel. Darum liebt Christus eine
solche reine Seele mehr als ein Bräutigam die allerschönste Braut.
Deshalb will er auch bei ihr bleiben alle Tage bis zum Ende der
Welt. Dass aber Christus unsichtbarerweise bei seiner geliebten
Braut, der Kirche, sein will, kommt daher, weil seine Vermählung
nicht leiblicher-, sondern geistigerweise durch den Glauben
geschieht, wie Er selbst bei dem Propheten Oseas bezeugt:“ Ich
verlobe Mich mit dir auf ewig, und verlobe Mich mit dir durch
Gerechtigkeit und Gericht, durch Gnade und Erbarmung. Ich verlobe
Mich mit dir im Glauben, und du wirst erkennen, dass Ich der Herr
bin.“ (Oseas 2,19.20)Weil sich nun Christus mit seiner Kirche im
Glauben vermählt, deshalb geziemt es sich, dass Er verborgen bleibe,
damit seine Braut oder die gläubigen Seelen Gelegenheit haben, den
Glauben zu üben und dadurch täglich große Belohnung im Himmel zu
verdienen.
c)
Weil Christus der
Bräutigam seiner Kirche ist, geziemt es sich, dass Er seiner Braut
vorstehe, ihr die notwendige Nahrung verschaffe und sich ihres
Heiles und ihrer Wohlfahrt treulich annehme. Dieses alles und noch
mehr tut Er in der heiligen Messe und im geistigen leiblichen
Genusse des Allerheiligsten Sakramentes, und beweist so durch die
Tat, dass Er ein treuer Liebhaber seiner geliebten Braut ist, indem
Er ihr alles zu ihren zeitlichen und ewigen Heile Notwendige
verschafft.
17. 0 christliche Seele, wenn du in
der Todsünde lebst, so gehörst du dem Teufel an, und der leidige
Satan regiert dich. Bist du aber im Stande der Gnade, so bist du
eine Braut Christi und wirst von deinem Bräutigam herzlich geliebt
und mit allem, was zu deinem Heile dient, fleißig versorgt. Was für
Gnaden und Guttaten meinst du, wird dir dein liebender Bräutigam bei
einer heiligen Messe erweisen und wie viele Mittel wird Er dir an
die Hand geben, um die Tugend zu üben und deine Seligkeit zu
sichern? Höre und verwundere dich! Ich sage dir ernstlich und will
es dir in diesem Buche gründlich beweisen, dass Jesus aus lauter
Liebe zu dir in jeder hl. Messe, die du ohne Todsünde mit Andacht
anhörst und wobei du mit Sammlung des Geistes deine Messgebete
sprichst, siebenundsiebzig Gnaden zu verdienen gibt. Auf dass du
dies erkennest und glaubest, will ich dir dieselben nacheinander
aufzählen.
Siebenundsiebzig Gnaden und
Früchte, die aus dem andächtigen Messehören entspringen
1. Wegen deines Heiles schickt Gott Vater seinen lieben Sohn vom
Himmel herab.
2. Zu deinem Heil verwandelt der Heilige Geist Brot und Wein in den
wahren Leib und das wahre Blut Christi.
3. Um deinetwillen kommt der Sohn Gottes vom Himmel herab und
verbirgt sich unter der Gestalt der hl. Hostie.
4. Ja, er erniedrigt sich so sehr, dass er auch in dem
allerkleinsten Teilchen der hl. Hostie gegenwärtig ist.
5. Wegen deines Heiles erneuert er das gnadenreiche Geheimnis seiner
Menschwerdung.
6. Zu deinem Heile wird er in jeder heiligen Messe wiederum
geistiger Weise geboren.
7. Zu deinem Heile verrichtet er auf dem Altare alle Andachten,
welche er auf Erden vollbracht hat.
8. Zu deinem Heile erneuert er sein bitteres Leiden, auf dass er
dich dessen teilhaftig mache.
9. Zu deinem Heile stirbt er wiederum geistigerweise und gibt sein
kostbares Leben für dich.
10. Zu deinem Heile vergießt er geistigerweise sein heiliges Blut
und opfert es dem himmlischen Vater für dich auf.
11. Mit diesem heiligen Blute besprengt er deine Seele und reinigt
sie von ihren Makeln.
12. Für dich opfert sich Christus zum wahren
Brandopfer und gibt der
Gottheit so große Ehre, als sie zu empfangen würdig ist.
13. Wenn du diese Ehre Gott aufopferst, so erstattest du ihm die
Ehre, welche du ihm zu geben unterlassen hast.
14. Für dich opfert er sich zum
Lobopfer und erstattet,
was du am Lobe Gottes versäumt hast
15. Wenn du dieses Lob Christi Gott aufopferst, so gibst du ihm ein
höheres Lob, als die Engel ihm geben.
16. Für dich opfert sich Christus zum vollkommensten
Dankopfer und erstattet, was du im Danksagen versäumt hast.
17. Wenn du diesen Dank Christi Gott aufopferst, so vergiltst du ihm
reichlich alle Wohltaten, welche er dir erwiesen hat.
18. Für dich opfert sich Christus zum mächtigsten
Versöhnungsopfer und macht dir den erzürnten Gott wiederum zum
Freunde.
19. Er verzeiht dir auch alle deine lässlichen Sünden, welche du zu
meiden entschlossen bist.
20. Er ersetzt auch viele von deinen Versäumnissen, welche du durch
Unterlassung des Guten begangen hast.
21. Er verbessert viele von deinen Nachlässigkeiten, welche du in
Verrichtung des Guten dir hast zu Schulden kommen lassen.
22. Er verzeiht dir auch deine unbewussten und vergessenen Sünden,
welche du niemals gebeichtest hast.
23. Er opfert sich zum Opfer
der Genugtuung und zahlt einen Teil deiner Schulden oder
Strafen.
24. Durch eine jede hl. Messe kannst du mehr Strafen abbüßen, als
durch ein anderes schweres Bußwerk.
25. Christus schenkt dir einen Teil seiner Verdienste, welche du
Gott dem Vater für deine Sünden aufopfern kannst.
26. Christus opfert sich für dich zum kräftigsten
Bittopfer und bittet für dich so herzlich, als er am Kreuze für
seine Feinde gebetet hat.
27. Sein heiliges Blut ruft für dich mit so vielen Worten, wie
Blutströpflein aus seinem Leibe geflossen sind.
28. Seine heiligen Wunden rufen für dich mit so vielen Stimmen, wie
ihrer an seinem Leibe gewesen sind.
29. Wegen dieses kräftigen Bittopfers erwirbst du das Erbetene weit
eher in als außer der hl. Messe.
30. Das Gebet, welches du bei der hl. Messe verrichtest, ist viel
besser als das, welches du außer der hl. Messe sprichst.
31. Denn Christus vereinigt es mit seinen Gebeten und opfert es
seinem himmlischen Vater auf.
32. Deine Nöte und Gefahren trägt er ihm treulich vor und lässt sich
dein Heil ganz angelegen sein.
33. Alle gegenwärtigen Engel bitten auch für dich und opfern Gott
dem Herrn dein armseliges Gebet auf.
34. Der Priester liest die hl. Messe für dich, durch deren Kraft der
böse Feind von dir abgehalten wird.
35. Er liest seine Messe auch für dich und opfert sie Gott auf zu
deinem größeren Heile.
36. Wenn du der hl. Messe beiwohnst, so bist du geistiger Weise ein
Priester, und Christus verleiht dir Gewalt, die hl. Messe
aufzuopfern, sowohl für dich, als auch für andere.
37. Wenn du die hl. Messe aufopferst, so verehrst du der heiligsten
Dreifaltigkeit die allerangenehmste Gabe.
38. Du opferst ihr eine so kostbare Gabe, die mehr wert ist, als
Himmel und Erde.
39. Du opferst ihr eine so kostbare Gabe, welche ebenso viel wert
ist wie Gott selber.
40. Durch diese Aufopferung erweisest du Gott eine so hohe Ehre, als
Gott verehrt zu werden würdig ist.
41. Durch diese Aufopferung erfreuest du die Allerheiligste
Dreifaltigkeit auf unendliche Weise.
42. Diese so edle Gabe opferst du als deine eigene Gabe, weil sie
dir von Christus selbst geschenkt wird.
43. Wenn du die hl. Messe recht hörest, so verrichtest du ein Werk
des höchsten Gottesdienstes.
44. Durch das Messehören erweisest du der Menschheit Christi den
höchsten Dienst und Huldigung.
45. Dadurch verehrst du das Leiden Christi auf die beste Weise und
machst dich der Früchte desselben teilhaftig.
46. Du kannst auch dadurch die Mutter Gottes auf die beste Weise
verehren und erfreuen.
47. Alle Engel und Heiligen kannst du mit dem Messehören mehr
verehren als durch das Sprechen vieler Gebete.
48. Durch das andächtige Messehören kannst du an deiner Seele
reicher werden als durch irgendetwas dieser Welt.
49. Denn dadurch übest du eines von den allerbesten guten Werken.
50. Du verrichtest eine hohe Übung des wahren Glaubens und verdienst
dadurch einen hohen Lohn.
51. Wenn du dich vor der heiligen Hostie und dem heiligen Kelch
niederbeugst, so verrichtest du ein vortreffliches Werk der
Anbetung.
52. Sooft du die heilige Hostie andächtig anschauest, verdienst du
dir einen besonderen Lohn im Himmel.
53. Sooft du reumütig an deine Brust schlägst, so oft erlangst du
Verzeihung einiger Sünden.
54. Wenn du im Stande der Todsünde die heilige Messe hörest, so
bietet dir Gott die Gnade der Bekehrung an.
55. Wenn du im Stande der Gnade die hl. Messe hörest, so vermehrt
dir Gott seine Gnade.
56. Bei der hl. Messe wirst du mit dem Leibe und Blute Christi
geistiger Weise gespeist und getränkt.
57. Du wirst gewürdigt, Christus, unter den heiligen Gestalten
verborgen, mit deinen Augen anzuschauen und von ihm angeschaut zu
werden.
58. Du empfängst auch den priesterlichen Segen, und Christus
bekräftigt denselben im Himmel.
59. Durch das fleißige Messehören wirst du an zeitlichen und
leiblichen Gütern gesegnet.
60. Dadurch wirst du vor vielem Unglück bewahrt, in welches du sonst
gefallen wärest.
61. Du wirst in deinen Anfechtungen gestärkt, von denen du sonst
wärest überwunden worden.
62. Durch jede hl. Messe erwirbst du die Gnade, selig zu sterben.
63. Wegen der gehörten hl. Messe erlangst du besondere Hilfe im
Sterben von den Engeln und Heiligen.
64. Bei deinem Sterben werden dich die gehörten hl. Messen trösten
und dir ein festes Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit
verschaffen.
65. Sie werden mit dir zum göttlichen Gerichte gehen und bei dem
strengen Richter Gnade erbitten.
66. Du darfst ein kurzes und gelindes Fegfeuer erwarten, weil du mit
den vielen hl. Messen deine Strafen größtenteils abgebüßt hast.
67. Denn durch jede heilige Messe milderst du dein Fegfeuer mehr als
durch ein anderes schweres Bußwerk.
68. Eine gehörte hl. Messe in deinem Leben wird dir mehr nützen als
viele, weiche nach deinem Tode für dich gelesen werden.
69. Im Himmel wirst du gewiss eine hohe Stufe der Glorie einnehmen
und ewiglich besitzen.
70. Eine jede gehörte hl. Messe vermehrt dir deine Seligkeit im
Himmel.
71. Für deine Freunde kannst du nicht kräftiger beten, als dass du
die hl. Messe für sie hörest und aufopferst.
72. Deinen Wohltätern kannst du durch das Messehören aufs
reichlichste vergelten.
73. Den Elenden, Kranken und Sterbenden kannst du durch das
Messehören am besten Hilfe und Trost leisten.
74. Vielen, vielen Sündern kannst du durch Aufopferung der hl. Messe
die Bekehrung erwerben.
75. Durch das Messehören kannst du allen Christgläubigen großes Heil
erlangen.
76. Durch das Messehören kannst du das ganze Fegefeuer abkühlen und
die armen Seelen kräftiglich erquicken.
77. Wenn du für deine Verstorbenen keine Messen lesen lassen kannst,
so kannst du sie durch andächtiges Messehören erlösen.
Den Beweis für alle diese Gnaden wirst du beim Weiterlesen in diesem
Buche finden.
Was hältst du nun von der hl. Messe,
andächtige Seele? Meinst du wohl, dass es auch nur ein einziges
gutes Werk auf der Welt gibt, durch welches du so große Gnaden und
Früchte erwerben kannst wie durch die hl. Messe? Meinst du nicht
auch, dass das wahr ist, was P. Sanchez sagt: "Wenn ein Christ nur
wüsste, sich die hl. Messe zunutze zu machen, so könnte er durch
dieselbe reicher werden, als durch alle von Gott erschaffenen
Dinge." 0, welch ein großer Schatz, die heilige Messe! 0, glückselig
derjenige, welcher mit geringer Mühe sich so große Schätze erwerben
kann! Wer will denn nun nicht gerne Messe hören? Wer will denn die
Messe mutwillig versäumen? 0, liebe Seele, versäume sie doch nicht,
sondern lasse alles liegen, wie es liegt, und eile zur hl. Messe!
Gedenke, wie du dich betrüben
würdest, wenn du an einem Tage siebenundsiebenzig Kreuzer - Taler
will ich schon gar nicht mehr sagen - verlieren oder verspielen oder
verscherzen solltest. Gewiss würde dich der Verlust aufs tiefste
schmerzen und reuen. Wieviel mehr aber solltest du dich dann
betrüben, wenn du an einem Tage ohne Not, ja aus lauter Faulheit
oder Mutwillen die hl. Messe zu hören versäumst hast! Du aber
versäumst solcher Messen gar viele und betrübst dich deswegen gar
nicht, als wenn dir gar kein Schaden widerfahren wäre - das klarste
Zeichen dafür, dass du den köstlichen Schatz der hl. Messe nicht
erkennst oder nicht achtest. Wenn du aber fleißig in diesem Buche
liest, so wirst du hoffentlich hinfür diesen himmlischen Schatz
besser erkennen, höher achten und eifriger suchen. Das gebe Gott.
Amen!
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